Hintergründe

Die Clownfigur

Das Clownspiel ist eine spontane Transformation der umgebenden Realität. Es geht darum, das „innere Kind“ oder sogar das „innere Tier“ zu entdecken. Clowns sind offen, sie zeigen Gefühle, anstatt sie zu verstecken, und sie halten Blickkontakt. Es geht nicht darum, die ganze Zeit lustig zu sein. Clowns sind das Symbol des Scheiterns. Sie scheitern an den Regeln dieser Welt, aber sie schöpfen daraus Kraft. Sie sehen alles wie zum ersten Mal und reagieren sensibel auf ihre Umwelt. Sie sind naiv und glauben alles, wollen überall dabei sein, genießen das Rampenlicht und wollen alles mitmachen. Sie bejahen alles und haben eine besondere Mimik und Art sich zu bewegen. Sie wiederholen, imitieren, vergrössern und untertreiben. Und Clowns brauchen immer ein Publikum. Die Clownsnase ist die kleinste Maske der Welt und das wichtigste Attribut der Clowns. Die Clownsnase ist auch die kleinste Bühne der Welt, denn jeder Ort, an dem ein Clown auftritt, verwandelt sich in eine Bühne. Die Clownsnase ist auch sehr wichtig, um die Rollen der Zivilperson (Nase ab) und der Clownfigur (Nase auf) zu trennen.

Clowns stehen für eine Parodie der Machtverhältnisse und ein Umstülpen der bekannten Werte und Normen, wie Geschlechterstereotypen oder Statussymbole. Bei Protesten ist Clownerie ein deeskalierendes, buntes Happening und ein Magnet für Aufmerksamkeit, auch für die der Medien. Clowns stellen einen erleichternden Umgang mit realen Machtverhältnissen her anstelle von Frustration und Verhärtung der Fronten. Sie sind nicht aggressiv und vermeiden es, jemanden zu verletzen. Wir identifizieren uns nicht mit destruktiven, aber populären Clownfiguren, wie beispielsweise dem Joker aus Batman. Diese Referenzen führen zu einem Missverständnis von Clowns. Im Verein Clownlabor Schweiz setzen wir uns kritisch mit der Geschichte der Clownfigur auseinander. Denn es gibt Traditionen der Clownerie, die auf rassistischen und diskriminierenden Stereotypen und Zusammenhängen basieren, die wir nicht bedienen, sondern überwinden wollen.

Auf der Persönlichen Ebene

Auf der persönlichen und zwischenmenschlichen Ebene hat Clownerie ein grosses emanzipatorisches Potential. Es ermöglicht den Darsteller*innen eine hohe Selbstwirksamkeit zu erfahren und sich vor anderen offen und verletzlich zu zeigen. Damit trägt die Clownpraxis zu einer gewaltfreieren Kommunikation und zur Dekonstruktion von ungesunden Stereotypen bei. Die Darsteller*innen können sich in unterschiedlichen Facetten erfahren, damit experimentieren und so ihr Selbstbild erweitern und bereichern. Über die Clownfigur wird das innere Erleben verstärkt und nach aussen gekehrt. Dadurch setzen sich die Darsteller*innen intensiv mit ihren Emotionen auseinander und lernen mit ihnen in Kontakt zukommen. Dies unterstützt die Fähigkeit, im Alltag Emotionen zu regulieren und Stress zu bewältigen. In einer Welt, in der Krisen und Kriege omnipräsent sind, ist eine fatalistische Haltung gerade unter jungen Menschen verbreitet. Es entsteht ein Gefühl der persönlichen Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit gegenüber diesen übergeordneten Entwicklungen. Politische Clownerie schafft Möglichkeiten, diese nihilistische Haltung zu überwinden und neue Realitäten zu entwerfen. Da die Sichtweise der Clowns* derjenigen der Kinder ähnelt, vermögen sie, Dinge neu einzuordnen und ihnen eine andere Bedeutung zuzuschreiben.  So wirkt die Clownerie auf einer persönlichen Ebene ermächtigend und auf einer politischen Ebene transformierend. Ausserdem gibt es keine formalen Voraussetzungen für diese künstlerische Praxis. Sie ist eine offene Einladung und für alle zugänglich, die sich vertieft mit ihrer Gefühlswelt und deren Wirkung nach aussen auseinandersetzen wollen. Auch die kulturellen und sozialen Hintergründe eines Menschen sind keine Hindernisse sondern können als Ressourcen für den persönlichen Clowncharakter dienen.